Es gibt keine größere Sünde

384208_r_by_ingo-anstotz_pixelio-klein1Menschen haben ein Problem mit der Zeit. Wir vergessen schnell, und wir denken nur an die unmittelbarste Zukunft. Die meisten Menschen kennen nicht einmal die Vornamen ihrer Urgroßeltern, die sie möglicherweise sogar als Kind noch kennengelernt haben. Eine Planung, die über den nächsten 10-Jahreszeitraum hinausgeht, ist für viele unvorstellbar. Wie undenkbar ist da eine Planung, die sich über mehrere Generationen oder gar über mehrere Jahrtausende erstreckt?

Die Frage ist: Was machen die Menschen, was macht die Menschheit in 10.000 Jahren, und was können wir bereits heute tun, um das menschliche (Über)Leben in dieser fernen Zeit - und in all den Jahren dazwischen - so angenehm wie möglich zu machen? Die Antworten auf diese Frage würden gleichzeitig sehr viele existenzielle Probleme unserer Zeit lösen, denn sie werden zwangsläufig zu zwei Dingen führen: Das Ende der Nationalstaaten und der Beginn eines verantwortungsvollen Umgangs mit planetarischen Ressourcen.

In der Geschichte der Menschheit gibt es eine Konstante: Expansion. Neugier und Bevölkerungswachstum treiben uns dazu. Die Menschen sind Entdecker und Besiedler, sei es aus Neugier, sei es als Notwendigkeit um einer überbevölkerten Region zu entkommen. Dies hat auch über Jahrzehntausende bis vor wenigen hundert Jahren noch hervorragend funktioniert. Es gab genug Unbekanntes zu entdecken um die Neugier zu befriedigen, und es gab genug noch unbesetzten aber besiedelbaren Raum um auszuweichen.

Heute ist das nicht mehr so. Auf der Erde gibt es praktisch nichts Unbekanntes mehr zu entdecken, es gibt keine unbesiedelten und gleichzeitig unmittelbar bewohnbaren Gebiete mehr. Die Grenzen der Expansion sind erreicht - und unser Planet geht daran zugrunde. Die Menschen nutzen die Erde nicht mehr, sie verbrauchen sie.

Es ist so ziemlich jedem klar, dass dies so keine weiteren 10.000 Jahre funktionieren kann, geschweige denn noch weitere 10 Millionen Jahre. Auf dem eingeschlagenen Weg vernichtet die Menschheit sich selbst, weil sie nicht länger als einige wenige Jahrzehnte im Voraus denken will - und weil sie sich nicht als Art begreift, sondern als Individuen, bestenfalls als überschaubare Grüppchen wie Familien oder Nachbarschaften.

Wir denken bei dem was wir heute tun nicht daran, wie sich dies auf das Leben unserer Nachfahren in einigen hundert oder vielen tausend Jahren auswirken wird. Durch unsere Kurzsichtigkeit und Verantwortungslosigkeit zerstören wir heute das Leben unserer Urenkel. Die Menscheit wird garantiert untergehen, und wir schauen tatenlos zu:

  • Bevölkerungswachstum und der damit einhergehende Ressourcenverbrauch wird bereits in wenigen hundert Jahren ein Leben auf der Erde, wie wir es heute kennen und wie die unterentwickelten Länder es anstreben, unmöglich machen.
  • Es ist statistisch sicher, dass irgendwann in den nächsten wenigen Millionen Jahren wieder ein großer Asteorid die Erde trifft, der die menschliche Zivilisation zerstören wird. Es ist nicht die Frage ob dies passieren wird, sondern wann. Es gibt keinen Grund, warum dies nicht nächstes Jahr sein könnte.
  • In etwa 1 Milliarde Jahren wird unsere Sonne so heiß geworden sein, dass diese Hitze Leben auf der Erde unmöglich machen wird. Wenn die Menschheit dann noch ausschließlich auf der Erde ist, wird sie vergehen. Später wird die Sonne explodieren, was für ein Überleben der Menschheit einen Exodus nach außerhalb unseres Sonnensystems erforderlich machen wird.

Die Lösung ist klar: Die Menschheit wird weiter expandieren (müssen), weil ihre Zahl weiter steigen wird. Unser Planet kann diesen Expansionszwang und -drang nicht mehr befriedigen. Wir müssen uns daher in die Lage versetzen unseren Planeten zu verlassen. Dies ist keine Science Fiction, wir tun das bereits. Wir waren auf dem Mond, haben eine Raumstation, planen die Reise zum Mars, und haben die ersten Satelliten auf eine Reise außerhalb unseres Sonnensystems geschickt.

Die Planeten, Monde und Asteoriden in unserem Sonnensystem bieten mehr als genug Ressourcen für eine deutlich größere Menschheit. Wir müssen die Technologie entwickeln, die ein Leben ausserhalb der Erde ermöglicht, um einer vielfach zahlreicheren Bevölkerung Platz zum Leben anzubieten. Wir müssen uns in die Lage versetzen, unseren Planeten vor großen Himmelskörpern, die sich auf Kollisionskurs befinden, zu schützen. Schließlich müssen wir es irgendwann schaffen in großer Zahl unser Sonnensystem verlassen zu können.

Dies alles sind Ziele, die die Menschheit als Ganzes betreffen. Die Komplexität der damit verbundenen Aufgaben, der Umfang an erforderlichen Talenten und Ressourcen sind so gewaltig, dass dies nicht von einem einzelnen Staat oder Staatenverbund geleistet werden kann. Die gute Nachricht ist, dass die Menschheit die Voraussetzungen schaffen kann, um den eingeschlagenen Weg zur Selbstvernichtung zu verlassen. Sie muss sich nur dafür entscheiden. Diese Entscheidung wird aber nicht von den Mächtigen in Politk, Religion oder Wirtschaft getroffen, denn sie würde dazu führen, dass diese wenigen tausend Menschen ihre Privilegien verlieren. Den Mächtigen unserer Zeit sind Völlerei und Luxus in ihrem jetzigen Leben wichtiger als die Zukunft der Menschheit.

Die Realität der heutigen menschlichen Zivilisation ist kein Naturgesetz. Die Menschheit kann jederzeit und ohne Aufwand aufhören sich selbst zu zerstören, sie braucht nur zu beginnen statt in Jahrzehnten in Jahrtausenden zu denken. Sie braucht nur zu beginnen, nicht die Erde, sondern unsere Galaxie, das Universum als ihren Lebensraum zu begreifen. Angesichts der Gewaltigkeit dieser Vorstellung werden die Konflikte und Probleme der Mächtigen auf unserem Planeten zu dem reduziert, was sie im Gefüge von Raum und Zeit des Kosmos tatsächlich sind: Alberne Streitereien von dummen Kleinkindern im Sandkasten. Die Gesamtheit der Menschheit muss beginnen ihre ungezogenen Kinder zu erziehen, und deren Zerstörung unseres Planeten und der Zukunft unserer Kinder und Enkel zu beenden.

Die Menschheit muss sich (ver)einen, um das Überleben der eigenen Art langfristig zu sichern. Es gibt keine Alternative dazu. Wer mit nationalistischem, religions-separatistischem, oder besitzstandswahrendem Denken aktiv Menschengruppen voneinander trennt statt sie zu einen, wer die Ressourcen der Erde besitzen will statt sie gerecht unter allen zu verteilen, wird im Geschichtsbuch unseres Universums als Rädelsfüher am Genozid an der Menschheit verzeichnet werden. Wer darum weiß und dennoch nichts tut, duldet diesen Genozid stillschweigend und wird dadurch Mittäter. Es gibt keine größere Sünde.

(c) Foto: Ingo Anstötz / pixelio.de

Atheist Bus Campaign oder „Zweierlei Maß“

In England startete im Herbst 2008 eine Initiative, die es den in der Regel nicht-organisierten Atheisten ermöglichen sollte, eine Antwort auf die von Religionsgruppen platzierte Werbung auf öffentlichen Bussen in London zu geben. Wie sich dies entwickelt hat, kann man hier nachlesen.

Innerhalb kürzester Zeit hat die Atheist Bus Campaign über 100.000 Pfund eingesammelt, mit der Werbung auf städtische Busse finanziert werden konnte. Der Text sagte: "There's probably no God. Now stop worrying and enjoy your life". Diese Idee fand schnell Freunde in anderen Ländern der Welt, und seit kurzem auch in Deutschland. Die deutsche Sektion der Atheist Bus Campaign hat seit ihrer Gründung bereits knapp 35.000 € an Spendengeldern eingesammelt, um auch in unserem Land atheistische Buswerbung zu finanzieren. Der Slogan soll hier lauten: "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott". So weit, so gut.

Obwohl in vielen deutschen Städten für Religionsgruppen Werbung in Nahverkehr möglich ist, musste man aber dann erfahren, dass dies offensichtlich nur für Gottesgläubige gilt, nicht für Atheisten. Während religiöse Werbung in Bahnhöfen, an Haltestellen und auf Fahrzeugen des Nahverkehrs gang und gäbe ist, haben bisher alle angesprochenen Verkehrsbetriebe (Berlin, Bremen, Dortmund, Dresden, Essen, Frankfurt, Fulda, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, München, Münster, Nürnberg, Potsdam, Regensburg, und Stuttgart) die Platzierung der atheistischen Werbung auf ihren Bussen abgelehnt.

Es sei erwähnt, dass einige dieser Städte grundsätzlich keine religiöse Werbung akzeptieren (Stuttgart, Regensburg, Leipzig und Hamburg). Auf der anderen Seite begründet Dortmund die Ablehnung mit dem "gottesverachtenden Charakter" der Werbung, oder Bremen mit dem Hinweis auf den kommenden Kirchentag. Essen galt als Lichtblick, weil der Verkehrsbetrieb der Stadt die Werbung zunächst zugelassen hat. Sie zog dann aber die Zulassung wieder zurück, weil einige Abonnement-Kunden mit der Kündigung ihres Abos drohten, wenn solche Werbung auf einem Essener Bus stünde.

Die Kampagne hat in Berlin jedenfalls schon eine interessante Entwicklung in Gang gesetzt: In Folge der (ablehnend beschiedenen) Anfrage der Kampagne wurde beschlossen, dass von nun an in Berlin grundsätzlich keine religiöse Werbung im öffentlichen Nahverkehr mehr zugelassen wird. Immerhin.

Wenn also jemand im ÖPNV Werbung von Kirchen oder Religionsgruppen sieht, dann bitte mit Hinweis auf die Atheist Bus Campaign die Zulassung auch von atheistischer Werbung verlangen (dafür einfach die Initatoren der Kampagne über diese gefundene Werbung informieren) und die Beendigung dieser Werbung veranlassen, da dies ihre weltanschaulichen Gefühle verletzt und persönliche Betroffenheit auslöst (die Begründung aus Nürnberg, warum diese Werbung nicht zugelassen wird - mit dem Hinweis dass dies grundsätzlich gelte).

Ich werde jedenfalls künftig mit offenen Augen Bus fahren.

Foto (c) www.buskampagne.de

Spirituelle Versklavung

Gibt es Gott? Atheisten beantworten die Frage kategorisch mit "Nein!", Gläubige genauso kategorisch mit "Ja!". Weder die einen noch die anderen können wirklich beweisen, dass ihre jeweilige Position stimmt.

Die interessante Frage ist, wenn es Gott gibt, welche Bedeutung hat das für uns?

Alle Götter, deren Existenz bisher von Menschen angenommen wurden, hatten einige Gemeinsamkeiten: Sie sind wesentlich mächtiger als der mächtigste Mensch, und sie fordern vom Menschen Fügsamkeit und Gehorsam. Sie stellen teilweise sehr abstruse Regeln auf, deren Befolgung erwartet und mit Belohnung versehen wird, und deren Mißachtung bestraft wird. Bei allen war/ist es auch so, dass die Belohnung oder Bestrafung nicht zu Lebzeiten erfolgt, sondern erst nach dem Tod, was einen Gott unkalkulierbar und unüberprüfbar macht. Dies steht auch in Übereinstimmung mit einer weiteren Eigenschaft aller Götter: Sie entziehen sich unserer Wahrnehmung.

Kurz: Die Götter der Menschheit sind mächtig und verlangen die Befolgung ihrer Regeln unter Androhung der einzig möglichen Steigerung der Todesstrafe - der Strafe nach dem Tod.

Wenn es also so einen Gott gibt, was ist er dann anderes als ein subtiler Sklavenherr? Macht diese Erkenntnis die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, nicht irrelevant gegenüber der Frage, ob man der Idee eines derartigen Gottes als Mensch überhaupt folgen darf, ohne ein wesentliches Element seines Menschseins aufzugeben: Sein Selbstbestimmungsrecht, seine persönliche Freiheit?

Ist die Idee von Gott nicht in Wahrheit eine Versündigung gegen die Menschheit, ein Versuch der Versklavung der Menschen auf spiritueller Ebene?

Die Frage die dann darauf folgt ist: Wer profitiert von dieser Versklavung? Es gibt offensichtlich keine Götter die auf Erden wandeln und die Früchte der Arbeit ihrer Sklaven einsammeln. Aber es gibt deren menschliche Verwalter auf Erden: Priester, Mönche und Nonnen und ihre Kirchen und Regeln.

Sie sammeln die Früchte der Arbeit der Menschen ein wie sie von den Göttern verlangt werden. Und leben gut davon, bauen Häuser, kaufen Land, sammeln Kunst, und essen und trinken ohne dafür arbeiten zu müssen. Ihre Arbeit ist es dafür zu sorgen, dass die Sklaven der Götter überleben, zufrieden sind, und stets ihren Tribut zu zahlen in der Lage sind.

In diesem Sinne, ein Vortrag von Richard Dawkins: 

Video (c) www.ted.com