Im April 2010 legte Paul Kirchhof, vormals Verfassungsrichter und 2005 designierter Finanzministerkandidat der CDU, ein Gutachten vor, für dessen Erstellung er von ARD, ZDF und Deutschlandfunk beauftragt und bezahlt wurde. In diesem Gutachten beschrieb er eine mögliche neue Organisation der Rundfunkgebührenerhebung, die natürlich und wenig überraschend, im Interesse der Auftraggeber ausfiel. Auf der Basis dieses Gutachtens haben dann die Länder im Dezember 2010 die neue Finanzierungsordnung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschlossen. Soweit die Geschichte.
Es ist bekannt, dass diese neue Rundfunkgebühr auf viel Widerstand stößt. Es kommt nun nicht mehr darauf an, ob man überhaupt in der Lage ist Fernsehen zu schauen oder Radio zu hören, alleine die Tatsache dass man lebt und wohnt reicht, um dafür an die Rundfunkanstalten bezahlen zu müssen. Ich persönlich habe seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts keinen Fernseher mehr, und muss nun etwa dreimal soviel an ARD, ZDF und Deutschlandfunk überweisen wie vorher.
Aber darum geht es in diesem Artikel eigentlich gar nicht. Einige haben natürlich gegen die neue Rundfunkgebühr geklagt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Vorwürfe wegen Verletzungen der Datenschutzrechte (die Gebühreneinzugsbehörde kann ohne Erlaubnis der Betroffenen und ohne richterliche Genehmigung von Behörden Daten über alle Menschen einziehen) oder gegen die Tatsache, dass es sich hier eigentlich nicht um eine Gebühr, sondern um eine Steuer handelt, die aber auf dem beschrittenen Wege gar nicht beschlossen werden kann.
Wie dem auch sei, vor ein paar Tagen wurde wieder mal so eine Klage vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen. Was uns zum Anfang dieses Artikels zurückführt. Da die Klage sich gegen die neue Rundfunkgebühr richtet, und diese auf Grundlage des Gutachtens von Paul Kirchhof gestaltet wurde, richtete sich die Klage natürlich auch gegen die Legitimität der Vorschläge von Paul Kirchhof. Diese Klage wurde, wie fast alle anderen Klagen auch, ohne Begründung abgelehnt. Die Verfasser des Ablehnungsbeschlusses waren Ferdinand Kirchhof, Susanne Baer und Johannes Masing. Ferdinand Kirchhof?! Ja, Ferdinand Kirchhof, der jüngere Bruder von Paul Kirchhof.
Eigentlich unfassbar, dass jemand über einen Sachverhalt höchstrichterlich entscheiden darf und kann, der von seinem eigenen Bruder eingefädelt wurde. Was mich nun endlich zum eigentlichen Zweck dieses Artikels führt.
Wir alle lernen schon in der Schule, wie wichtig und gut Demokratie ist. Dass ein wesentliches Merkmal funktionierender Demokratie - und damit Kernbestandteil der politischen Ordnung in Deutschland - die Gewaltenteilung ist. Wenn man sich ein wenig intensiver damit auseinander setzt muss man allerdings zu seinem eigenen Erstaunen und Entsetzen feststellen, dass es in der deutschen politischen Wirklichkeit gar keine Gewaltenteilung gibt.
Die rechtsprechende Gewalt, die Legislative, macht keine Gesetze, sondern führt die Initiativen der regierenden Gewalt, der Exekutive aus. Die Judikative unterliegt der Überwachung, Steuerung und personellen Führung durch das Justizministerium, einem Teil der Exekutive. In einigen anderen Staaten wird zumindest strukturell und formal das Gewaltenteilungsprinzip erfüllt. Da sind die Parlamente nicht nur Abnickgremien für Gesetzesvorschläge der Regierung, und die Richter unterliegen nicht der personalpolitischen Überwachung und Steuerung eines Ministeriums.
Die Exekutive, die Regierung, hält bei uns also auch die legislativen und die judikativen Zügel fest in beiden Händen. Da stellt sich dann die Frage, wer ist denn die Exekutive? Das sind in Deutschland seit Jahrzehnten vier Parteien: Die CDU/CSU, die SPD, die Grünen und die FDP. Dies sind die Erzherzöge unserer Zeit, mit vollkommener Macht ausgestattet - und genauso abhängig und hörig gegenüber den Besitzenden wie die Erzherzöge im Mittelalter. Und diese Besitzenden sind der Erbadel unserer Zeit, wo die Kinder die finanzielle Macht ihrer Eltern erben, und damit den Tropf besitzen, den die politische Macht zum Überleben braucht.
Willkommen zurück im real existierenden Feudalismus. Gewaltenteilung war eine gute Idee, aber sie hat sich offensichtlich - zumindest in Deutschland - nicht durchgesetzt. Darum kann heute der jüngere Bruder höchstrichterlich über die Rechtmäßigkeit von Strukturen befinden, die sein älterer Bruder - einer der Favoriten eines der Erzherzöge unserer Zeit - für einen Auftraggeber entwickelt hat, der wiederum im Wesentlichen für diese Erzherzöge tätig ist. Hier kommt alles zusammen. Die Exekutive will eine neue Ordnung der Rundfunkgebühren, die Legislative nickt pflichtergeben (Fraktionszwang!) den Vorschlag der Exekutive ab, und die Judikative schützt die Exekutive vor dem Mob, der wieder mal ein kleines bisschen mehr ausgeplündert wird. Und am Schluss freuen sich die Besitzenden, denen über Umwege weitere etwa 8 Milliarden Euro aus den Taschen der gemeinen Bürger in die eigenen Tresore fließen.
(c) Foto: Ingo Büsing / pixelio.de