Staat und Regierung

 

Disclaimer: Nachfolgender Text weist auf die Richtung meiner Überlegungen hin, ist aber weder vollständig ausformuliert noch in allen Einzelheiten argumentativ hinterlegt. Ich werde in den kommenden Jahren versuchen, diese Ideen und Überlegungen ständig zu verbessern, bis sie irgendwann so hieb- und stichfest sind, wie sie sein können. In diesem Text wid zur Vereinfachung des Lesens auf die ständige Wiederholung geschlechtsspezifischer Begriffsvarianten verzichtet, und in der Regel die männliche Form verwendet. Es sei ausdrücklich angemerkt, dass Frauen die vollständig gleichen Rechte wie Männer haben.

Politik und Regierung haben heute eine Legitimitätsproblem. Einmal ein Kreuzchen alle paar Jahre, die Anonymisierung und Entpersönlichung der Politik durch Parteien und Fraktionszwang, das offensichtliche Primat der Interessen der Wirtschaft und Mächtigen vor den Interessen der Bürger, haben die Politik soweit vom Bürger entfernt, dass für viele nicht mehr ersichtlich ist warum sie überhaupt noch wählen sollen.

Entscheidungen der Politik sind für viele nicht mehr nachvollziehbar. Die Gesetze und Verordnungen, die aus den Parlamenten kommen, sind selbst für Fachleute nicht mehr nachvollziehbar und unverständlich. Die wesentlichen Entscheidungen werden in Europa von einem Gremium gemacht, dass noch nicht einmal eine demokratische Legitimation hat.

Es hat immer Alternativen gegeben, die aber alle ebenfalls gescheitert sind. Kommunismus, Anarchismus und Faschismus haben nicht funktioniert, Feudalismus und Despotismus sind schon vor Jahrhunderten als ungeeignet erkannt worden. Heute wird immer mehr ersichtlich, dass Kapitalismus und Demokratie auch nicht die Herrschaft des Volkes sind, sondern eine Herrschaft über das Volk, diesmal durch die wirtschaftlich Mächtigen.

Ich möchte ein neues System vorschlagen, das Politik wieder persönlich macht, und das die Bürokratie und Anonymität des heutigen Politiksystems vollständig abschafft. Ein System das weitgehend unempfindlich ist gegen Lobbyismus und vor allem dem Bürger ein jederzeit ausübbares Recht zum Widerspruch und zum Eingreifen in die politischen Entwicklungen bietet.

Grundlage dieses Systems bleibt Demokratie, aber nicht die Parteiendemokratie. Parteien können nicht mehr gewählt werden, nur Personen. Weiterhin wird die Politik an die Basis zurückgebracht, die Kirche kehrt zurück ins Dorf: Die entscheidende politische Macht wird von einer entfernten Staatsebene auf die unmittelbar beobachtbare Gemeindeebene verlegt.

Ich schlage vor,

  • ... dass vier oder fünf der derzeitigen Wahlbezirke zu einer Gemeinde mit etwa 10.000 Wahlberechtigten zusammengelegt werden.
  • ... dass die Wahlberechtigten dieser Gemeinde einen Gemeindevorsteher auf Lebenszeit wählen.
  • ... dass in der Gemeinde ein Abstimmungsbüro eingerichtet wird, in dem jeder Wahlberechtigte zu jeder Zeit ein 6 Monate gültiges Votum zur Abwahl des Gemeindevorstehers einlegen kann.
  • ... dass der Gemeindevorsteher an dem Tag zurücktreten muss, an dem die Zahl der gültigen Abwahl-Voten im Wahlbüro 50% der Wahlberechtigten übersteigt.
  • ... die Bürger der Gemeinde immer die Möglichkeit haben, einen verbindlichen Handlungsauftrag an die gewählten Vertreter durch eine eine mit 50%iger Mehrheit der Wahlberechtigten durchgeführte Abstimmung zu beschließen.

Der Gemeindevorsteher wird auf Lebenszeit gewählt, kann aber jederzeit abgewählt werden. Einmal abgewählt, kann er auch nicht mehr wiedergewählt werden. Das Abstimmungsbüro muss von einem Vertreter geleitet werden, der seinen Wohnsitz außerhalb der Gemeinde hat, um Abhängigkeiten und Einflussnahme durch die Politik zu minimieren. Ein gegenseitiger Austausch von Leitern des Abstimmungsbüros zweier benachbarter Gemeinden ist ausgeschlossen. Neben der Führung des Abwahlregisters organisiert das Abstimmungsbüro auch die Neuwahl eines abgewählten Gemeindevorstehers und die Abstimmungen über Aufträge der Bevölkerung an die politischen Vertreter.

Nach dem gleichen Prinzip wählen die Bürger der Gemeinde für jeden Bereich der Grundversorgung sowie zur Koordination der damit verbundenen Aufgaben in der Gemeinde einen fachlichen Leiter nach dem gleichen Prinzip: Wahl auf Lebenszeit bei jederzeitiger Möglichkeit der Abwahl.

Jede Gemeinde hat damit ein Gremium aus 10 Personen, dass unbelastet von parteipolitischen Beschränkungen, Wahlkampf und parlamentarischen Diskussionen Entscheidungen treffen kann, und durch den Gemeindevorsteher geleitet wird. Das aber auch jederzeit durch den Souverän jederzeit ganz oder teilweise wieder aufgelöst werden kann. Durch die Nähe der Politik zur eigenen Realität kann er dieses Recht auch tatsächlich ausüben: In einer Gemeinschaft von 10.000 bis 15.000 Menschen kennt man sich noch gegenseitig, ist die Politik noch überschaubar und nachvollziehbar. Wenn man die wirklich verantwortlichen Politiker abends in der Kneipe bei Bier oder Wein treffen kann, wird Politik wieder begreifbar und beinflussbar.

Ein wesentlicher Unterschied dieser Politik ist es, dass die Verantwortung und die Handlungskompetenz von einem anonymen Staat oder Staatenbund wieder unmittelbar erfahrbar wird. Die Bereitstellung der Grundversorgung durch Nahrung, Wohnung, Kleidung, Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Transport, Kommunikation und Wissenschaft/Forschung ist die einzige Aufgabe der Politik in der Gemeinde. Die Bevölkerung selbst stellt diese Grundversorgung bereit, die gewählten Vertreter koordinieren und organisieren die damit verbundenen Aufgaben, und schaffen die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und die materiellen, organisatorischen und infrastrukturellen Voraussetzungen.

Aus zwei Gründen endet die politische Vertretung aber nicht auf der Gemeindeebene. Zum einen müssen einige der Bereiche der Grundversorgung überregional koordiniert und bereitgestellt werden, weil eine Gemeinschaft von 10.000 oder 15.000 nicht alle Grundversorgungsfelder abdecken kann, und damit die bestmögliche wirtschaftliche Effizienz realisiert werden kann.

Zum anderen soll das Zusammenleben aller Menschen auf der Basis dieses basisdemokratischen Prinzips neu organisiert werden, und dafür weltweit umgesetzt werden. Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil nur so unter dem Eindruck begrenzter Ressourcen unseres Planeten und ständigen Bevölkerungswachstums eine Plünderung der planetarischen Vorräte auf Kosten unserer Nachfahren vermieden werden kann.

Zur Koordination werden die von den Gemeinden gewählten Bürgermeister und Leiter der verschiedenen Grundversorgungsbereiche jeweils aus 10 benachbarten Gemeindeen einen Wahlkreis bilden und aus ihrer Mitte jeweils einen Koordinator wählen: Einen für die politische Leitung, und je einen für jeden der Grundversorgungsbereiche. Diese Koordinatoren vertreten damit ein Gebiet von ca. 100.000 Wahlberechtigten. Sie werden ebenfalls auf Lebenszeit gewählt, können aber auch genauso wieder jederzeit abgewählt werden, entweder durch 50% der Menschen im Wahlkreis, oder durch die Mehrheit aller Gemeindevorsteher und Leiter der Grundversorgungsbereiche der Gemeinden des Wahlkreises. Wenn also 51 von 100 dieser Funktionsträger der zehn Gemeinden gegen einen ehemals gewählten Wahlkreisvertreter stimmen, ist dieser wieder abgewählt.

Dieses Prinzip wird dann nach dem gleichen Verfahren bis auf eine siebte Ebene fortgeführt, wo dann derartige Koordinationen auf globaler Ebene durchgeführt werden, wieder auf Lebenszeit und mit jederzeitiger Abwahlmöglichkeit, wie oben beschrieben. Andere nennen die oberste Ebene dann Weltregierung. Systematisch sieht dies dann in etwa so aus:

regierungshierarchie4

Um dies eindeutig klarzustellen: Die politische Macht liegt bei den Gemeinderäten, bestehend aus dem gewählten Gemeindevorsteher und den gewählten Leitern der Grundversorgungsbereiche. Der Gemeinderat ist nicht nur das politische Fundament, sondern die maßgebliche legislative Kraft. Die anderen Organisationen haben alle nur die politische Aufgabe die Rahmenbedingungen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, die die Grundversorgung auch überregional und weltweit ermöglichen und sichern. Sie sind Koordinatoren, Helfer und Unterstützer, aber keine Herrscher.

Bei Konflikten gilt immer die Mehrheitsentscheidung (bei Stimmengleichheit zählt die Stimme des Gemeindevorstehers doppelt), und neben der erwähnten Koordinationsfunktion haben die Vertreter oberhalb der Gemeindeebene die Kompetenz, getroffene Entscheidungen der jeweils vertretenen Ebene durchzusetzen. Die Räte oberhalb der Gemeindeebene haben nur dann legislative Macht, wenn ein dort mehrheitlich gefasster Koordinierungsbeschluss durchzusetzen ist.

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